Der geplante Energiespeicher neben dem Gebäude der Weilheimer Stadtwerke wirft so einige Fragen auf.
Die Firma Gravity Energy AG plant seit längerem den Bau einer Pilot-Speicheranlage für Strom auf dem Gelände der Stadtwerke. Dazu soll ein etwa 100 m tiefen und 8m breiter zylindrischer Schacht in den Boden getrieben werden. In diesem Schacht soll ein schwerer Kolben in einem geschlossenen Wasserkreislauf bei Stromeinspeisung nach oben bewegt werden und bei Stromentnahme nach unten gehen, wobei das Wasser jeweils durch eine Turbine gepumpt wird, die sowohl als Pumpe wie auch als Generator fungiert.
Bereits Ende 2013 war die Firma zwecks Errichtung einer Demonstrationsanlage mit der Gemeinde Kochel in Kontakt getreten, die im Herbst 2014 die Errichtung abgelehnt hatte.
Danach hatte die Gravity Energy AG im Spätherbst 2014 die Errichtung einer Demonstrationsanlage in Penzberg beantragt. Nach den Ergebnissen einer Probebohrung wurde das Projekt im November 2015 dann abgeblasen.
Noch im November 2015 einigten sich die Stadtwerke Weilheim und die Gravity Energy AG darauf, die Demonstrationsanlage in Weilheim auf dem Betriebsgelände der Sttadtwerke zu errichten.
Im Januar 2017 wurde mit der Probebohrung für die Bodenerkundung begonnen. Seither, rund 18 Monate, hat sich nichts mehr getan.
Sieht man sich die Firma Gravity Energy AG näher an, so ergibt sich ein interessantes Bild.
Eine Internetrecherche zeigt einen gewaltigen Medienhype um die Firma, es gibt eine Unzahl überschwenglicher und manchmal geradezu euphorischer Berichte, die zumeist viel Begeisterung ausstrahlen aber eher weniger Substanz haben.
Für Startups ist dies nicht selten, da diese gerne einen gewaltigen Medienrummel zu inszenieren versuchen, um Kunden und Investoren anzulocken.
Auf der Webseite der Firma findet man die folgende Information,
Gravity Energy AG vertreibt Lizenzen zum Bau von Gravity Power Pumpspeichern [GPP].
Sie besitzt die exklusiven Vertriebsrechte für diese Technologie in Europa und der Türkei.
Gravity Energy AG wird zum Bau der GPPs
– entweder die Lizenzen direkt an interessierte Firmen verkaufen oder
– über ein Konsortium von Ingenieur- und Baufirmen schlüsselfertige Anlagen vermitteln.
Die Lizenzrechte liegen bei der Gravity Power LLC in Kalifornien in den USA. Auch deren Webseite gibt nicht viele Informationen.
Insgesamt sind die Informationen auf den Webseiten sehr dünn und sehr allgemein, es gibt keine Aussagen zu Eigentumsverhältnissen, keine Jahresabschlüsse, keine Details zur Technik, kaum aktuelle Pressemitteilungen.
Die Firmen haben bisher keine Pilotanlagen, noch nicht einmal welche im Bau.
Die geplante Technologie, in Betonröhren von in der Pilotanlage über 100 m Tiefe und in den späteren Anlagen von 500 m Tiefe Kolben von 8m und später 50 bis 80m Durchmesser, die praktisch wasserdicht an die Wände abschließen und die permanente Reibung an den Wänden jahrzehntelang schadlos überstehen, ist wohl nicht so einfach. Es gibt keinerlei Aussagen, ob und wie dieses Problem gelöst ist und wie die Lösung erprobt wurde.
Warum eine Firma mit Sitz in den USA in Kalifornien ihre allererste Pilotanlage ausgerechnet in Oberbayern errichten muss, ist absolut nicht einsichtig. In den USA ist es wesentlich leichter, Venture Capital zu bekommen, die Genehmigungsverfahren sind einfacher und schneller, Grund gibt es in diesem weiten Land in Hülle und Fülle und man könnte eine zukunftsweisende Technologie sicher problemlos zusammen mit einer der renommierten Universitäten, beispielsweise der University of California, die „praktisch ums Eck liegt“, entwickeln. Dies wäre wesentlich einfacher und unkomplizierter.
Warum nicht schon längst eine kleinere Pilotanlage mit beispielsweise einem Schacht von 20 m Länge und einem Kolben von 3m Durchmesser in USA gebaut wurde, ist nicht klar. Dies hätte das Vertrauen von Investoren massiv bestärkt.
Ein Anruf bei der einzigen auf der Webseite der Gravity Energy AG angegebenen Telefonnummer, einer Handynummer, wurde vom Vorstandsvorsitzenden persönlich beantwortet.
Die Firma habe die Probebohrungen im Frühjahr 2017 beendet und sei seither auf der Suche nach Investoren, um die Baukosten von rund 20 mio € einzuwerben. Dies erfolgt anscheinend durch eine Drittfirma auf Provisionsbasis.
Man beabsichtige gegen Jahresende in das vermutlich langwierige Genehmigungsverfahren einzusteigen.
Wie ein Anruf bei den Stadtwerken ergab, sind die Stadtwerke, die periodisch mit dem Unternehmen in Kontakt sind, auf dem selben Informationsstand.
Die ganze Historie, die Konstruktion der Firmen und die seltsam dünne und vage Information auf den Webseiten hinterlassen ein zwiespältiges Gefühl. Erfahrene Aktien-Analysten werden das verstehen.
Es ist sicher gut, wenn die Stadtwerke keinerlei finanzielle Investitionen in das geplante Unternehmen tätigen und sicherstellen, dass der Rückbau einer eventuellen Bauruine im Fall einer Insolvenz gesichert ist.
Außerdem ist es gut, wenn die Stadtwerke von Anfang an so viel Distanz gehalten haben, dass bei einer frühen Pleite mit Totalverlust der Investoren keinen Reputationsverlust erleiden.